Brüssel/Berlin - Der gewaltige Datensatz der «Paradise Papers» lenkt den Blick - wieder einmal - auf fragwürdige Steuerpraktiken wohlhabender Personen und globaler Konzerne. Die Enthüllungen rücken vor allem das geschickte Ausnutzen von Gesetzeslücken in den Fokus. Die EU ringt seit einiger Zeit um Fortschritte im Kampf gegen Steuervermeidung. Doch nicht alles läuft glatt. Ein Überblick:

Was haben die «Paradise Papers» zutage gefördert?

Finanzgeschäfte von Politikern, Prominenten und Konzernen über Steueroasen und Briefkastenfirmen. In den 13,4 Millionen Dokumenten tauchen nach Medienangaben Namen von 120 Politikern aus fast 50 Ländern auf.

Was tut die EU bislang im Kampf gegen Steueroasen außerhalb Europas?

Das größte EU-Projekt gegen Steueroasen ist die sogenannte Schwarze Liste. Sie soll Ende des Jahres fertig werden und Drittstaaten mit zweifelhaften Steuerregelungen auflisten. Auch Länder, die beim Austausch von Steuerdaten unkooperativ sind, sollen an den Pranger gestellt werden. Bei gut 90 Ländern waren steuerrechtliche Bedenken geltend gemacht worden. Die Aufstellung dürfte allerdings deutlich kürzer ausfallen. Ziel: Drittstaaten durch Gespräche und Transparenz zu schärferen Steuerregeln zu drängen. Für Steueroasen sind finanzielle oder rechtliche Sanktionen im Gespräch.

Wie läuft es innerhalb der EU?

Die EU-Kommission macht bei dem Thema regelmäßig Druck - die EU-Staaten verhandeln mit schleppenden Fortschritten. Das Erheben einzelner Steuern und das Festlegen von Steuersätzen fällt in die Zuständigkeit der Staaten. Brüssel kann Vorschläge für Rahmenbedingungen machen. Doch es gilt nicht das Mehrheitsprinzip. Sämtliche EU-Staaten müssen Änderungen zustimmen.

Welche Baustellen gibt es in der EU konkret?

Die Kommission hat eine ganze Reihe von Steuerregelungen vorgeschlagen, um nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Konzerne grenzübergreifende bürokratische Hürden abzubauen und Steuerbetrug und -vermeidung zu erschweren. Die Staaten einigten sich etwa darauf, dass ihre Steuerbehörden verpflichtet sind, Steuerdaten von multinationalen Konzernen untereinander auszutauschen.

Gibt es noch andere Vorschläge aus Brüssel?

Ja, diskutiert wird etwa, ob globale Konzerne ihr Steueraufkommen in EU-Ländern auch der Öffentlichkeit zugänglich machen müssen. Die EU-Kommission will außerdem Steuerberater, Buchhalter, Bankiers oder Anwälte zu mehr Transparenz verpflichten. EU-Länder wie Malta und Irland, die sich jahrelang selbst mit Steuerregelungen Standortvorteile verschafft hatten, sind aber nach wie vor zögerlich. Irland war wegen der Minimalbesteuerung des Iphone-Herstellers Apple von der Kommission etwa ermahnt worden, bis zu 13 Milliarden Euro von dem US-Konzern nachzufordern. Irland wehrt sich dagegen.

Blockiert sich die EU beim Kampf gegen Steueroasen selbst?

Nicht generell. Seit der Offenlegung zahlreicher Briefkastenfirmen durch die «Panama Papers» 2016 ist ein beschleunigter Mentalitätswandel zu beobachten. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verwies jüngst zum Beispiel darauf, dass Länder wie Luxemburg und Zypern ihre Steuersysteme bereits geändert haben. Dennoch meint Steuerkommissar Pierre Moscovici: «Es ist absolut nötig, dass wir unser Programm gegen Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung beschleunigen.»

Was ist mit Internet-Riesen wie Google und Co.?

Zur generell stärkeren Besteuerung von Tech-Giganten wie Apple und Google hatte Deutschland zuletzt gemeinsam mit anderen Ländern eine Initiative eingebracht. Die Konzerne haben oftmals kaum besteuerbare Betriebsstätten in der EU und zahlen daher deutlich weniger Steuern als herkömmliche Industriebetriebe. Sie erwirtschaften hier aber große Gewinne. Die EU-Staaten hatten sich darauf verständigt, das Thema auch etwa im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) voranzutreiben. Unstimmigkeiten gibt es darüber, wie die Steuern künftig erhoben werden könnten.

Was geht durch Steuerhinterziehung und -vermeidung verloren?

Dies ist schwer zu beziffern. Einer Studie des Europaparlaments zufolge entgehen den öffentlichen Haushalten in Europa pro Jahr etwa 50 bis 70 Milliarden Euro. Einer anderen Studie zufolge betrug der Schaden allein durch die in den «Panama Papers» offengelegten Praktiken etwa 173 Milliarden Euro.

Welche Rolle spielen Großbritannien und der Brexit?

Großbritannien gehört nicht zu den Wegbereitern strengerer Steuerkontrollen. In den «Paradise Papers» taucht nun unter anderem die der britischen Krone unterstellte Isle of Man auf. Offiziell Teil des Vereinigten Königreichs ist sie aber nicht - und damit auch juristisch schwerer greifbar. Die EU-Kommission stieß sich bereits an anderen Steuerpraktiken Großbritanniens. Derzeit prüft sie, ob Steuerbefreiungen für Großkonzerne mit EU-Recht vereinbar waren. Ende März 2019 will Großbritannien die EU verlassen. Die britische Regierung hatte angedeutet, dass sie Unternehmen nach dem Brexit mit Steuervorteilen auf die Insel locken könnte. Londons Spielraum hängt aber vom geplanten Abkommen zu den Beziehungen mit der EU ab.

Was tut sich auf internationaler Ebene?

Im Herbst 2014 wurde unter OECD-Führung ein System des automatischen Informationsaustauschs auf den Weg gebracht. Banken übermitteln weltweit und automatisch Kontoinformationen an das Finanzamt des Kontoinhabers. Die OECD hat 2015 zudem sogenannte BEPS-Empfehlungen (Base Erosion and Profit Shifting, deutsch etwa: grenzüberschreitende Gewinnverschiebung) gegen Steuerflucht veröffentlicht. Konzerne sollen am Ort der unternehmerischen Tätigkeit und der Wertschöpfung besteuert werden. Steuervermeidung wird nach Angaben von Anwälten für Firmen so immer schwieriger.

Wie ist die Lage in Deutschland?

Die Regierung sieht sich international in der Rolle des Antreibers im Kampf gegen Steuerflucht. Im Frühjahr verabschiedete der Bundestag ein Gesetzespaket, mit dem unter anderem die Kontenabfrage ausgebaut werden soll. Damit wird das «steuerliche Bankgeheimnis» abgeschafft, besonderer Schutz von Bankkunden aufgehoben. Ein Transparenzregister soll zudem die wahren Eigentümer von Unternehmen aufführen. Kritiker wie die Deutsche Steuer-Gewerkschaft fordern weitere Schritte.

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