London - Im britischen Unterhaus kommt es am Dienstag und Mittwoch zu einer Machtprobe zwischen Regierung und Parlament in Sachen Brexit. An beiden Tagen werden wichtige Abstimmungen über Änderungen am EU-Austrittsgesetz erwartet.

Worüber stimmen die Abgeordneten ab?

EU-freundliche Lords im Oberhaus haben gegen den Willen der Regierung 15 Änderungen zum EU-Austrittsgesetz durchgesetzt. Den größten Teil dieser Zusätze will Premierministerin Theresa May nun rückgängig machen oder entschärfen. Es geht unter anderem darum, welche Rolle das Parlament beim Scheidungsabkommen mit Brüssel spielen darf und ob das Austrittsdatum (29. März 2019) per Gesetz festgeschrieben wird. Auch eine künftige Mitgliedschaft Großbritanniens in einer Zollunion mit der EU und dem europäischen Binnenmarkt stehen zur Debatte.

Was wäre, wenn die Änderungen der Lords durchgingen?

Sollten sich die pro-europäischen Kräfte im Parlament bei wesentlichen Zusätzen durchsetzen, wäre ein weicher Brexit mit Teilnahme an Zollunion und europäischem Binnenmarkt sehr viel wahrscheinlicher. Das würde zwar nicht automatisch aus den entsprechenden Änderungen hervorgehen, wäre aber in Reichweite. Bislang schließt die Regierung beides aus. Mitglieder einer Zollunion vereinbaren gemeinsame Zölle an ihren Außengrenzen, an den Binnengrenzen werden keine Abgaben erhoben. Grenzkontrollen für Waren sind überflüssig. Das würde vor allem die Frage nach Grenzkontrollen zwischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland lösen. Bliebe Großbritannien gar im Binnenmarkt, würde sich mit dem Brexit nur wenig ändern.

Wie wahrscheinlich ist es, dass May die Machtprobe verliert?

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die proeuropäischen Rebellen durchsetzen, variiert von einem Zusatz zum nächsten. Beobachter schätzen, dass es am ehesten eine Mehrheit für eine gestärkte Rolle des Parlaments beim Brexit-Abkommen gibt. Geplant ist dabei, dass das Parlament die Regierung mit klaren Vorgaben zurück an den Verhandlungstisch schicken kann, sollte das Scheidungsabkommen mit Brüssel bei den Abgeordneten durchfallen. Dass die Parlamentarier am Mittwoch für eine Zollunion mit der EU stimmen, gilt als möglich. Dass es eine Mehrheit für eine Mitgliedschaft im Binnenmarkt gibt, gilt als unwahrscheinlich.

Warum sind die Mehrheitsverhältnisse so knapp?

May wollte sich im Juni 2017 mit einer Neuwahl eine breite Mehrheit im Parlament für ihren Brexit-Kurs sichern. Umfragen sagten einen Erdrutschsieg für ihre Partei voraus. Doch es kam anders. Die Konservativen verloren ihre Mehrheit und May ist seitdem auf die Unterstützung der nordirisch-protestantischen DUP (Democratic Unionist Party) angewiesen. Der überwiegende Teil der Abgeordneten hatte sich beim Brexit-Referendum vor zwei Jahren gegen den EU-Austritt ausgesprochen.

Könnte May über eine Schlappe bei den Abstimmungen stürzen?

Die Premierministerin steht nicht nur von Seiten der proeuropäischen Abgeordneten in ihrer Partei unter Druck, sondern auch von den Brexit-Hardlinern. Immer wieder drohen sie damit, May zu stürzen, sollte sie keinen klaren Bruch mit Brüssel suchen. Ob es tatsächlich zu einer versuchten Ablösung Mays kommt, ist fraglich. Es gibt derzeit keine überzeugende Alternative, weder auf Seiten der Brexit-Anhänger noch von den Brexit-Gegnern. Auch die Aussicht auf Neuwahlen und einen Einzug von Labour-Chef Jeremy Corbyn in der Downing Street 10 wünscht sich in der Konservativen Partei niemand.

Um was geht es beim EU-Austrittsgesetz eigentlich?

Das EU-Austrittsgesetz (EU-Withdrawal Bill) ist der Herzstück der Brexit-Gesetzgebung. Mit dem Gesetz soll die Geltung von EU-Recht in Großbritannien beendet und gleichzeitig alle EU-Bestimmungen in nationales Recht übertragen werden, damit am Brexit-Tag kein Chaos entsteht.

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