Zwei Jahre lang wurde gefeilt und gefeilscht - jetzt nimmt die Reform des europäischen Emissionshandels Gestalt an. Nach einer weiteren Nachtsitzung einigten sich die Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Länder am 9. November auf letzte Kompromisse. Die Politiker hoffen, dass sie das Handelssystem nun endlich flott bekommen und es seinen Zweck für den Klimaschutz erfüllt. Für Europas Wirtschaft geht es um Wettbewerbsfähigkeit und Jobs - für die EU-Staaten um Milliardeneinnahmen, die letztlich auch den Bürgern zugute kommen sollen.

Emissionshandel - was ist das überhaupt?

Der Emissionshandel soll die Klimaziele der Europäischen Union erreichen helfen: eine Minderung der Treibhausgase um 20 Prozent bis 2020 und um 40 Prozent bis 2030, jeweils gemessen am Wert von 1990. Das nach der englischen Abkürzung auch ETS genannte System wurde 2005 für Kraftwerke und Fabriken eingeführt, beteiligt sind insgesamt 11 000 Anlagen in ganz Europa. Zusammen sollen sie 2030 mindestens 43 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen als 2005.

Wie funktioniert das?

Grundsätzlich braucht jede Anlage für jede Tonne Treibhausgase, die durch den Schornstein rauscht, eine Genehmigung - sogenannte Zertifikate. Energieversorger müssen diese auf Auktionen kaufen, was den EU-Staaten Milliarden einbringt. Industriebetriebe bekommen die Rechte unter bestimmten Bedingungen ganz oder teilweise gratis. Die Gesamtmenge wird jedes Jahr knapper. Wer seine Fabrik modernisiert, kann den Ausstoß senken und kommt mit der zugeteilten Menge hin oder hat sogar Zertifikate zum Verkaufen übrig. Wer mehr ausstößt als erlaubt, muss Verschmutzungsrechte zukaufen. Weil ein Deckel drauf ist, heißt das System auch «Cap and Trade». Seit 2012 gibt es den Emissionshandel auch für den Flugverkehr.

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 Die wichtigsten Treibhausgase, ihre Entstehung und der Treibhauseffekt.

Was bedeutet das alles für den Normalbürger?

Das Bundesumweltministerium ist überzeugt: «Vom Emissionshandel profitiert jede und jeder Einzelne.» Wenn das System funktioniert, ist Klimaschutz für die Wirtschaft relativ kostengünstig. Zudem können die Staaten die Einnahmen aus der Versteigerung von Verschmutzungsrechten verwenden, um etwa sparsame Heizungen oder besser gedämmte Häuser zu fördern.

Wieso jetzt eine Reform?

Von Beginn an waren zu viele Verschmutzungsrechte auf dem Markt, so dass sie meist spottbillig waren und das System keinen Anreiz zu größeren Investitionen gab. Zum einen teilten Regierungen zu üppig aus, zum anderen drückte die Wirtschaftskrise die Nachfrage. Eine Tonne Kohlendioxid kostet um die fünf Euro. Fachleute rechnen aber vor, dass es sich erst ab einem Preis von 20 Euro aufwärts lohne, Geld in grüne Technik zu stecken.

Was soll sich ändern?

Hauptziel der Reform ist es, die Menge der Zertifikate so zu verknappen und zu steuern, dass der Preis steigt und das Handelssystem nach marktwirtschaftlichen Regeln von Angebot und Nachfrage funktioniert. Bis zu zwei Milliarden Zertifikate sollen dazu in einer Reserve geparkt oder gelöscht werden. Entsprechend den Klimazielen soll zudem die Menge der Verschmutzungsrechte in der Zeit zwischen 2021 und 2030 um jährlich 2,2 Prozent zurückgehen. Bisher waren es 1,74 Prozent pro Jahr. Unterhändler erwarten mittelfristig einen Preisanstieg auf etwa 25 Euro je Tonne Kohlendioxid. Der Bundesverband der Deutschen Industrie verweist sogar auf Schätzungen von bis zu 40 Euro, er fürchtet Kosten und Wettbewerbsnachteile.

Wurde deshalb so lange gestritten?

Nein, über die großen Linien waren sich Europäische Kommission, EU-Staaten und EU-Parlament recht schnell einig. Gestritten wurde über Sonderregeln und Details, denn im Kleingedruckten ist das System ziemlich kompliziert. Eine Sorge ist das sogenannte Carbon Leakage: Die Gesetzgeber wollen vermeiden, dass Fabriken aus Europa in Weltregionen mit weniger strengen Klimaregeln abwandern. Besonders gefährdete Branchen bekommen deshalb alle Zertifikate gratis. Wer auf diese Liste darf, war zeitweise umstritten.

Zuletzt ging es um Regeln eines neuen Fonds, der ärmeren EU-Staaten beim Modernisieren ihrer Energiesysteme helfen soll. Sollen auch Mittel in Kohleprojekte fließen dürfen? Nein, heißt es nun, aber mit Hintertürchen: EU-Staaten dürfen aus einem anderen Fonds weiter nach eigenen Maßstäben ihre Unternehmen im Übergang unterstützen, auch Kohlekraftwerke. Umweltschützer treibt das auf die Palme. Auch die deutschen Grünen sind ernüchtert. «Trotz leichter Verbesserungen bleibt der europäische Emissionshandel bis 2030 ein zahnloser Tiger beim Kampf gegen die Erderhitzung», sagt Parteichefin Simone Peter.

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