Piran - Der eigentliche Ministreit zwischen Slowenien und Kroatien um insgesamt 31 Quadratkilometer zu Wasser und zu Land könnte möglicherweise auch große Folgen für die Europäische Union haben.

Worum streiten die beiden Nachbarn?

Als die zwei Staaten noch Teil des Vielvölkerstaates Jugoslawien waren, gab es keine festgelegte Grenze in der vor allem umstrittenen Bucht von Piran (slowenische Lesart) oder von Savudrija (kroatische Variante) an der nördlichen Adria. Seit der Unabhängigkeit der beiden Staaten 1991 will Kroatien die Grenze in der Mitte der Bucht ziehen, Slowenien beansprucht unter Berufung auf jahrhundertealte Kataster und historische Dokumente die ganze Meeresbucht.

Wie ist die augenblickliche Rechtslage?

Weil sich beide Seiten nicht einigen konnten, stimmten sie auf Vermittlung der EU einem internationalen Schiedsverfahren zu und versprachen, dessen Entscheidung ohne Wenn und Aber umzusetzen. Das Schiedsgericht sprach im vergangenen Sommer Slowenien rund 80 Prozent der Piran-Bucht zu, einschließlich eines freien Zugangs zu internationalen Gewässern. Bei der strittigen Landgrenze erreichte Kroatien Vorteile.

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Umstrittene Seegrenze zwischen Slowenien und Kroatien

Warum gibt es dann trotzdem Streit?

Slowenien verstieß 2015 massiv gegen die Prinzipien des Schiedsverfahrens: Eine Diplomatin Ljubljanas wurde bei illegalen Absprachen mit dem slowenischen Vertreter im Schiedsgericht ertappt. Kroatien verließ aus Protest das gesamte Verfahren. Das Gericht rügte zwar das slowenische Fehlverhalten, setzte aber die Verhandlungen fort. Die Entscheidung vom vergangenen Sommer wird von Zagreb daher als «null und nichtig» betrachtet. Es besteht auf neuen bilateralen Verhandlungen.

Wer unterstützt wen in diesem Streit?

Slowenien verweist auf europäisches und internationales Recht, das eingehalten werden müsse. Diese Meinung teilen auch die EU-Kommission und die Bundesregierung in Berlin. Sie fordern von Kroatien, im Sinne des Schiedsspruchs einzulenken.

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Ein Polizeiboot patroulliert am 30.12.2017 vor dem Hafen von Piran (Slowenien).  Foto: dpa

Welche Folgen sind zu erwarten?

Beide Seiten haben angekündigt, mit bewaffneter Polizei ihre Positionen durchzusetzen. Größere militärische Zusammenstöße werden aber bisher ausgeschlossen. Slowenien will den von Kroatien gewünschten Beitritt zur Eurozone ebenso blockieren wie den zum visafreien Schengen-Raum und zur Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD). Auch will Ljubljana den Nachbarn vor internationalen Gerichten verklagen.

Welche mittelfristigen Auswirkungen könnte der Streit haben?

Wenn zukünftige Schiedsverfahren nach dem aktuellen Beispiel nicht mehr akzeptiert werden, «droht das Recht als letztes Mittel zur Problemlösung in der EU auszufallen», sagt Thomas Bickl, der gerade seine Dissertation über das Problem an der Universität Duisburg fertiggestellt hat. Angesichts der vielen Grenzkonflikte der beiden aussichtsreichsten EU-Kandidaten Serbien und Montenegro dürften deren Beitritte erst aktuell werden, wenn sie diese Streitigkeiten beigelegt haben. Im Falle Serbiens mit seinem ungelösten Kosovo-Problem eine Herkulesaufgabe.

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