Luxemburg - Pflegerinnen aus Polen, Bauarbeiter aus Rumänien, Fleischer aus Bulgarien: Hunderttausende EU-Ausländer arbeiten als Entsandte aus ihren Heimatländern befristet in Deutschland. Für deutsche Unternehmen erledigen sie preiswert Aufträge, für ihre Heimatländer sind sie ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Doch Gewerkschafter kritisieren «Ausbeutung» ausländischer Beschäftigter und Sozialdumping auf dem heimischen Arbeitsmarkt.

Auf EU-Ebene sollen nun die Regeln verschärft werden, um Arbeitnehmer besser zu schützen. Im Mittelpunkt steht das Grundprinzip: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Nach monatelangem Streit könnten sich die Sozialminister aus Deutschland und den übrigen EU-Ländern am Montag auf eine Reform der sogenannten Entsenderichtlinie einigen - wenn es ihnen gelingt, letzte Stolpersteine aus dem Weg zu räumen.

Worum geht es?

Grundsätzlich darf jeder in der EU arbeiten, wo er will, und Firmen dürfen überall ihre Dienstleistungen anbieten. Das gilt als wichtige Errungenschaft im gemeinsamen Binnenmarkt. Eine Baufirma aus Kroatien darf also ohne weiteres einen Auftrag in Österreich ausführen und dafür Mitarbeiter dorthin schicken. In der gesamten EU gab es 2015 nach offiziellen Angaben 2,05 Millionen entsandte Arbeitnehmer - 41,3 Prozent mehr als 2010.

Wo liegt das Problem?

Wirtschaftskraft, Sozialstandards und Löhne in den EU-Ländern sind sehr unterschiedlich. So lagen die Arbeitskosten – also Lohn und Nebenkosten - pro Stunde 2016 in Dänemark bei 42 Euro. In Bulgarien waren es 4,40 Euro. Das Gefälle birgt Konfliktpotenzial, weil Firmen aus Ländern mit geringen Löhnen und Sozialbeiträgen die Preise für Dienstleistungen in wohlhabenden Staaten unterbieten können.

Die EU-Entsenderichtlinie von 1996 sollte gegensteuern. Sie schreibt vor, dass Mindestlöhne im Aufnahmeland auch für entsandte Arbeitnehmer gelten - ebenso wie ein Mindesturlaubsanspruch und Standards für Höchstarbeitszeiten, Sicherheit und Gesundheitsschutz. Ein Kostenvorteil bleibt aber in jedem Fall: Sozialversichert sind die Mitarbeiter meist sehr preiswert im Heimatland.

Wieso eine Reform?

Gewerkschafter halten das 20 Jahre alte Regelwerk für völlig unzureichend. Eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung spricht vom «Geschäftsmodell Ausbeutung» in einzelnen Branchen, darunter Pflege, Bau, Schlachthöfe und Transportgewerbe. So würden teils Mindestlohnsätze untergraben, weil den Beschäftigten Reisekosten oder überteuerte Mieten abgezogen würden. Überlange Arbeitszeiten würden verlangt, aber nicht bezahlt. Standards beim Gesundheitsschutz würden missachtet. Die Studie beschreibt teils kriminelle Machenschaften, die mit der Entsendung nicht unbedingt zu tun haben. Kritiker machen aber Schlupflöcher in den Regeln und mangelnde Kontrolle mitverantwortlich.

Was soll die Reform bringen?

Unterm Strich verdienen entsandte Arbeitnehmer nach Angaben der EU-Kommission bisweilen nur die Hälfte der Entgelte von einheimischen Kollegen. Dies will die Kommission angehen: Künftig sollen für Entsandte und Einheimische grundsätzlich die gleichen Regeln zur Vergütung gelten. Also nicht mehr nur Mindestlohn, sondern auch Gehaltsbestandteile wie Weihnachtsgeld, Prämien, Schlechtwettergeld oder Ähnliches. Ziel seien gleiche Wettbewerbsbedingungen für entsendende und lokale Unternehmen, heißt es von der Kommission.

Wo ist man sich noch uneins?

Die EU-Kommission hat eine Befristung von Entsendungen auf 24 Monate vorgeschlagen. Nach Ablauf der Frist müssten sich Arbeitnehmer dann im Aufnahmeland sozialversichern. Frankreich will nur zwölf Monate, was Deutschland mitträgt. Erwogen wird auch, das Transportgewerbe vorerst auszuklammern.

Die östlichen EU-Länder sehen die ganze Reform sehr skeptisch. Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände findet: «Die Regeln zur Entsendung sollten nicht verschärft werden. Sie sind für Unternehmen und Arbeitnehmer so gut, wie sie sind.» Der Entwurf der EU-Kommission sei inakzeptabel und hochbürokratisch.

Wie geht es weiter?

Sollten sich die EU-Sozialminister am Montag einigen, stehen Verhandlungen mit dem Europaparlament an, das einen eigenen Entwurf erarbeitet hat.

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