Mit einer knappen Mehrheit haben die EU-Mitgliedsstaaten am Freitag einem Freilandverbot für dreibienenschädliche Neonikotinoide zugestimmt. Umweltschützer werten das Ergebnis als großen Sieg, doch nicht jeder teilt diese Meinung.

Wie ist die Entscheidung genau ausgegangen?

Eine knappe Mehrheit der Mitgliedsstaaten hat sich für das Verbot ausgesprochen. Diplomatenkreisen zufolge haben 16 Mitgliedsstaaten dafür votiert - das ist das Minimum an Befürwortern, das für ein Ja zum Verbot benötigt wurde. Zudem müssen die Staaten mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, das traf in diesem Fall zu. Zu den Befürwortern zählen Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Das ursprüngliche Votum war für Ende 2017 angesetzt, die Mitgliedsstaaten wollten aber auf ein neues Urteil der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) warten. Die aktuelle Entscheidung soll bis Ende des Jahres in Kraft treten.

Worüber wurde genau abgestimmt?

Konkret soll der Einsatz der Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid auf Äckern untersagt werden. Dann dürfen die Substanzen auf dem Acker weder in Form von Saatgutbehandlung noch als Spritzmittel genutzt werden. 2013 hatte die EU-Kommission bereits den Einsatz der drei Substanzen nach einem Efsa-Gutachten eingeschränkt: So war es nicht erlaubt, die Mittel etwa auf Rapssaat und beim Anbau von Kirschen, Äpfeln oder Gurken anzuwenden. Es gab aber Sondergenehmigungen, etwa für Getreide wie Hafer oder Weizen, das zwischen Januar und Juni ausgesät wurde.

Was ist das Problem mit den Stoffen?

Neonikotinoide können Experten zufolge Insekten bereits bei einer niedrigen Dosierung lähmen, töten oder das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen. Die tödliche Dosis liege für viele der Wirkstoffe bei etwa vier Milliardstel Gramm pro Biene.

Schweizer Forscher zeigten 2016, dass bestimmte Sorten dieser synthetisch hergestellten Wirkstoffe die Fruchtbarkeit männlicher Honigbienen verringern und deren Lebensspanne senken. Eine andere Studie befand, dass Bienen die mit den Stoffen behandelten Pflanzen nicht etwa meiden, sondern sogar bevorzugt ansteuern.

Ende Februar dieses Jahres bestätigte die Efsa erneut die Gefahren: «Die Mehrzahl der Anwendungen vonNeonikotinoid-haltigen Pestiziden stellt ein Risiko für Wild- und Honigbienen dar.» Erschwerend kommt hinzu, dass alle Pflanzenteile, auch die Blüten und Pollen, die mobilen Moleküle aufnehmen - diese verbreiten sich unter anderem durch den Wind in der Umwelt und bleiben lange wirksam.

Wie betrifft mich das?

Ganz abgesehen vom Honig sind Bienen essenziell für die Bestäubung von Blüten. «Bestäuber haben einen großen Einfluss auf die weltweite Lebensmittelproduktion», sagte Ex-Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) vergangenen Oktober. In Deutschland wären «vor allem der Obst- und Gemüsebau, aber auch Raps, Sonnenblumen oder Ackerbohnen von einem Ausfall der Bestäubungsleistungen betroffen.»

Apropos Wirtschaft – Welche Folgen hätte das für die Bauern?

Der Deutsche Bauernverband (DBV) ist gegen ein umfassendes Freilandverbot und will etwa Ausnahmen für Zuckerrüben. Ohne Pflanzenschutzmittel könne man weder in der ökologischen noch in der konventionellen Landwirtschaft Qualität und Erträge garantieren, sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Es sei «eine echte Herausforderung, Alternativen zu entwickeln».

Wer kritisiert das Abstimmungsergebnis noch?

Der Neonikotinoidhersteller Bayer kritisierte das Resultat: «Die Entscheidung wird die Möglichkeiten europäischer Landwirte, gegen verheerende Schädlinge vorzugehen, weiter einschränken». Die EU-Entscheidung sei «ein schlechter Deal für die europäische Landwirtschaft». Der vor kurzem von Chinas Staatskonzern ChemChina gekaufte Basler Agrarkonzern Syngenta zeigte sich enttäuscht. Er stellt das Neonikotinoid Thiamethoxam her. Die Gefahr für Bienen durch die Insektengifte stehe in keinem Verhältnis zu der Notwendigkeit, genügend bezahlbare Nahrungsmittel herzustellen.

Wie steht die deutsche Politik zu Neonikotinoiden?

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) begrüßte das Freilandverbot für die Stoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid. «Heute ist ein guter Tag für den Schutz der Bienen in Deutschland und in Europa». Bereits vor dem Votum hatte sie gesagt, was der Biene schade, müsse weg vom Markt. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) betonte, das Artensterben aufzuhalten, «ist eine der zentralen politischen Aufgaben unserer Zeit». Die Entscheidung in Brüssel sei aber nur ein Baustein gegen das Insektensterben. «Ich werde darum in Kürze Eckpunkte für ein Aktionsprogramm zum Insektenschutz vorlegen.»

Grüne, Linke und AfD unterstützten das zuvor angekündigte Abstimmungsverhalten. Der Bundestagsabgeordnete Harald Ebner von den Grünen mahnte jedoch: «Lediglich alte Gifte durch ganz ähnliche neue, genauso gefährliche Stoffe zu ersetzten, wäre Etikettenschwindel.»

Wie beurteilen Naturschutzverbände die Entscheidung?

Die Umweltorganisationen werten das Ergebnis als klaren Sieg, er genüge aber nicht. «Um Bienen und andere wertvolle Insekten dauerhaft zu schützen, müssen wir den Einsatz giftiger Pflanzen- und Insektengifte schnell und drastisch senken», sagte Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter.

Was meint die EU-Behörde zu weiteren Neonikotinoiden?

Es gibt weitere Neonikotinoide, die ohne Einschränkung eingesetzt werden können, etwa Thiacloprid und Acetamiprid - letzteres hat laut Efsa ein «geringes Risiko für Bienen». Ein Verbot oder weitere Einschränkungen des Mittels seien daher «weder wissenschaftlich noch rechtlich angebracht».

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