Die EU-Kommission will das offizielle Klimaziel der Europäischen Union für 2030 deutlich hochschrauben: 45 statt 40 Prozent Senkung der Treibhausgase soll die EU international zusagen. Dies werde er den EU-Staaten vorschlagen, erklärte Klimakommissar Miguel Arias Cañete der Deutschen Presse-Agentur. Bundesumweltministerin Svenja Schulze signalisierte vorsichtige Zustimmung. Von der deutschen Industrie kam jedoch heftiger Widerspruch.

Das nachgeschärfte EU-Klimaziel soll ein Signal an die Partner in den Vereinten Nationen sein, mehr gegen die globale Erwärmung zu tun. Der globale Klimaschutz steckt in der Krise, seit US-Präsident Donald Trump das Pariser Abkommen von 2015 aufgekündigt hat. Gleichzeitig schürt der Hitzesommer Sorgen, dass der Klimawandel längst Fahrt aufnimmt. Für seine Pläne braucht Cañete die Unterstützung der EU-Staaten. Sie sollen sich im Oktober beim Rat der Umweltminister damit befassen, rechtzeitig vor der nächsten UN-Klimakonferenz in Polen.

Der Klimakommissar wirbt mit einer einfachen Rechnung für seinen Vorschlag: Sofern die bereits getroffenen EU-Beschlüsse zum Energiesparen und zum Ausbau erneuerbarer Energien umgesetzt würden, seien keine zusätzlichen gesetzlichen Vorgaben nötig. «Auf Grundlage unserer Rechenmodelle würden wir de facto eine Reduzierung der Treibhausgase um 45 Prozent in der EU erreichen», erklärte Cañete.

Energieeffizienz und Ökoenergie-Anteil sollen wachsen

Denn in beiden Sparten waren die noch 2016 vorgesehenen Ziele in diesem Frühsommer im Konsens von Kommission, Europaparlament und Mitgliedsstaaten nachgebessert worden. Statt um 30 Prozent soll die Energieeffizienz bis 2030 um 32,5 Prozent steigen; der Anteil von Ökoenergie am gesamten Bedarf soll auf 32 Prozent wachsen statt nur auf 27 Prozent. Daraus ergibt sich rechnerisch eine insgesamt höhere Einsparung von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen.

Umweltministerin Schulze betonte, schon die bisher zugesagte Senkung der Treibhausgase um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sei anspruchsvoll. «Wenn die Berechnungen der EU-Kommission uns zeigen, dass wir mehr als die in Paris zugesagten mindestens 40 Prozent schaffen, ist das ein ermutigendes Signal für die internationale Klimapolitik», betonte die SPD-Politikerin. Die EU müsse Bereitschaft erkennen lassen, ihr Ziel zu überprüfen. «Denn wir erwarten ja auch von anderen Staaten, dass sie künftig mehr tun.»

Im Pariser Klimapakt hatte die Weltgemeinschaft 2015 vereinbart, die globale Erwärmung bei höchstens 2 Grad - möglichst sogar bei nur 1,5 Grad - zu stoppen, um katastrophale Folgen abzuwenden. Gemeint ist die mittlere Temperatur im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten. Nötig ist dafür eine Abkehr von Kohle, Öl und Gas. Die Pariser Vertragspartner hatten Ziele zu Protokoll gegeben, aber zugesagt, diese bis 2020 möglichst zu erhöhen.

Skepsis, ob ehrgeizige Ziele umsetzbar sind

Die EU versteht sich als Schrittmacher. Allerdings sind nicht alle überzeugt, ob die ehrgeizigen Ziele umsetzbar sind. So hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier bei den EU-Verhandlungen zur Energieeffizienz und Ökoenergie auf die Bremse getreten. In beiden Fällen hielt der CDU-Politiker nur 30 Prozent für realistisch.

Der Industrieverband BDI lehnte «Alleingänge der EU» am Dienstag ab. Es sei falsch, so zu tun, als ob Europa den Ausstieg der USA aus dem Pariser Abkommen kompensieren könnte, sagte der stellvertretende BDI-Hauptgeschäftsführer Holger Lösch. Statt über immer ambitioniertere Ziele zu reden, müsse es um die kosteneffiziente Umsetzung der bereits existierenden anspruchsvollen Vorgaben gehen.

Umweltschützer, Grüne und Linke argumentieren hingegen, selbst ein 45-Prozent-Ziel der EU würde nicht ausreichen, das Pariser Abkommen umzusetzen. Zuletzt hatte auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte verlangt, die EU solle sich 55 Prozent bis 2030 vornehmen.

Schritt in die richtige Richtung

Immerhin seien Cañetes Pläne aber ein Schritt in die richtige Richtung, meinte die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock. Ihr Parteikollege Oliver Krischer sagte voraus: «Leider wird der Klimakommissar sich aus Deutschland eine Abfuhr holen. Klimaschutz gibt es bei der Bundesregierung nur noch in Sonntagsreden.»

Der Linken-Klimaexperte Lorenz Gösta Beutin forderte Rückendeckung für das neue Ziel und auch ein schärferes EU-Langfristziel. Der SPD-Europapolitiker Jo Leinen stellte sich hinter Cañetes Pläne.

Von Verena Schmitt-Roschmann

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