Nach jahrelangem Stillstand im EU-Asylstreit fordert Österreich, die Pflicht zur Aufnahme von Flüchtlingen für alle Mitgliedstaaten endgültig fallen zu lassen. Nötig sei ein Ausweg aus der Sackgasse, sagte der Kanzler und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Sebastian Kurz am Donnerstag (18. Oktober) beim Gipfel in Brüssel. Dort wollte er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und den übrigen EU-Kollegen Kompromisslinien in der Migrationspolitik suchen, aber auch bei den stockenden Reformen der Eurozone.

In beiden Feldern geht seit Monaten nichts voran. Hinzu kommen nun Sorgen über mögliche Risiken für die gemeinsame Währung durch die Schuldenpolitik Italiens. Einigkeit bahnte sich beim Gipfel nur beim Versuch an, die EU besser gegen Gefahren von außen zu wappnen, etwa Cyberangriffe oder Chemiewaffenattacken.

Schon zum Gipfelauftakt am Mittwochabend war beim Thema Brexit kein Durchbruch gelungen. Die 27 bleibenden EU-Staaten beklagten, dass bei den Verhandlungen für einen Austrittsvertrag mit Großbritannien die entscheidenden Fortschritte immer noch fehlten. Ein erwogener Sondergipfel im November wurde nicht beschlossen, sondern lediglich die Fortsetzung der Gespräche festgelegt. Damit bleibt es bei der für Wirtschaft und Bürger auf beiden Seiten entnervenden Hängepartie.

Einrichtung von «kontrollierten Zentren»

In der Brexit-Frage treten die 27 bleibenden Staaten geschlossen gegen Großbritannien auf - bei anderen wichtigen EU-Themen sind sie jedoch tief zerstritten, vor allem bei Migration. Ein EU-Gipfel im Juni hatte zwar unter anderem die Einrichtung von «kontrollierten Zentren» in der EU und sogenannten Ausschiffungsplattformen in Nordafrika beschlossen. Eine Umsetzung ist jedoch nicht absehbar.

Der luxemburgische Ministerpräsident Xavier Bettel sagte zu den «Ausschiffungsplattformen»: «Jeder findet es eine tolle Idee, aber keiner will sie bei sich haben. Das macht es schon kompliziert.» Die gewünschte engere Zusammenarbeit mit nordafrikanischen Staaten wie Ägypten sei komplizierter als gedacht. Bettel pochte auf Solidarität zwischen den EU-Staaten, die auch Luxemburg hochhalte: «Man kann nicht in Europa nur Vorteile sehen und, wenn es dann um Solidarität geht, sagen: Ich will es nicht.»

Kanzler Kurz will die Idee der Solidarität nun aber neu fassen, jenseits der verpflichtenden Quoten für Länder. Der «Weg der Solidarität» bedeute, «dass jeder einen Beitrag leistet - dort, wo er das kann und dort, wo er sinnvoll ist», meinte Kurz. Gegen die Idee, dass Länder gar keine Menschen aufnehmen, hatte sich unter anderem Deutschland in der EU-Debatte lange gesperrt. Bei östlichen EU-Ländern, die sich gegen Aufnahmequoten sperren, rennt Kurz hingegen offene Türen ein. «Es zeigt, dass sie verstanden haben, in welche Richtungen die ganze EU nun gehen sollte», sagte der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki.

Italien: Streit um Haushaltsdefizit

Thema am Rande des Gipfels war der Streit Italiens mit der EU-Kommission wegen des Haushalts für 2019, der deutlich mehr neue Schulden vorsieht als zuvor zugesagt. Die EU-Kommission prüft derzeit, ob das Zahlenwerk die Regeln der Eurozone einhält. Der deutsche Kommissar Günther Oettinger hat bereits offen Zweifel angemeldet.

Kurz sagte, er sei ein Verfechter der Maastricht-Kriterien, die das Haushaltsdefizit und die Gesamtverschuldung der Eurostaaten deckeln. Diese «verhindern eine Überschuldung von Staaten, die gefährlich für die Staaten, aber vor allem auch gefährlich für ganz Europa sein kann», sagte der Kanzler. Auch EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani sagte, als Italiener bewertete er das Budget aus Rom kritisch.

Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte äußerte Verständnis für die Vorbehalte. «Mir ist vollkommen bewusst, dass das kein Haushaltsentwurf ist, den sich die Kommission erhofft hat», sagte Conte. «Wir werden natürlich auf die kritischen Einwände antworten.» Entscheidend für Italien sei die Wachstumsperspektive. Kanzlerin Merkel habe sich «sehr beeindruckt» von den in Rom geplanten Strukturreformen gezeigt. Merkel äußerte sich zu Beginn des zweiten Gipfeltags zunächst nicht.

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