Frankfurt/Main - Die Entscheidung für den Brexit und die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten gaben den Ausschlag: Daniel und Sabine Röder - zwei überzeugte Europäer aus Frankfurt - gründeten vor rund einem Jahr eine Initiative für ein starkes Europa: «Pulse of Europe» (Puls Europas). Mehrere tausend Menschen in rund 20 Ländern gingen in den Hoch-Zeiten sonntags auf die Straße, vor allem vor den Wahlen in den Niederlanden und Frankreich. Das Engagement des Anwaltspaars und seiner Mitstreiter wurde mit dem Bürgerpreis der deutschen Zeitungen ausgezeichnet.

Inzwischen sei der Zulauf aber - wie erwartet - abgeebbt, stellt Protestforscher Dieter Rucht fest. Der Bewegung fehle die Reibungsfläche. Zwar gehen noch immer zumindest einmal im Monat - in der Regel am ersten Sonntag um 14 Uhr - in mehreren deutschen Städten Menschen für ein vereintes, starkes und demokratisches Europa auf die Straße. So viele wie früher sind es jedoch längst nicht mehr.

Den Ausgang der Wahl in Frankreich mit der Niederlage der rechtsextremen Front National nennt Daniel Röder als einen Grund. «Viele Leute sind nach der Frankreich-Wahl beruhigt und haben das Gefühl, jetzt ist Europa gerettet und alles gut.» Zumal Präsident Emmanuel Macron den Diskurs über die Reform Europas anschiebe.

Eine Kundgebung pro Woche sei auf Dauer nicht machbar

Für die Organisatoren in einigen Städten seien die Kundgebungen zudem ein ziemlicher Marathon gewesen. Sie wollen erstmal durchschnaufen und seien in den Stand-by-Modus gegangen. Darüber seien andere wiederum enttäuscht. Röder hält das für einen «ganz normalen Effekt», mit dem man lernen müsse, umzugehen. Eine Kundgebung pro Woche sei auf Dauer nicht machbar.

Der Berliner Sozialforscher Rucht gibt zu Bedenken: «Wenn man mit so allgemein formulierten Zielen antritt, die keine konkreten Zwischenetappen beinhalten, ist es schwer, einen Fortschritt festzustellen.» Die Symbolik mit Luftballons, Europafahnen und -Hymne aufzutreten reiche auf Dauer nicht.

«Bewegungen werden immer dann stark, wenn sie offensiv ihre Anliegen bündeln können und an einen Adressaten, das mag auch ein symbolisches Objekt sein, richten können.» Als Beispiel nennt er Kohlekraftwerke in der Klimapolitik. «Bei Europa ist das eigentlich zu diffus. Man hat keinen konkreten Anknüpfungspunkt.» Dazu komme: «Würde die Bewegung konkrete Ansatzpunkte wählen, würde sich das Feld der Anhänger und Sympathisanten aufteilen.»

«Es tut nicht weh, es ist harmlos und man kann es beklatschen»

Auch Rucht stellt aber fest: «Es ist ein sympathisches Anliegen.» Allerdings gebe es auch Bewegungen, die an Umarmungen erstickten. «Die Politiker freuen sich darüber.» So sei kein Zufall, dass «Pulse of Europe» inzwischen mit Preisen regelrecht überhäuft werde. «Das ist aber auch ein Anzeichen dafür: es tut nicht weh, es ist harmlos und man kann es beklatschen.»

Dennoch sei das Engagement nicht ohne Konsequenz. Ein Teil der Leute werde sich woanders engagieren, etwa für die Europapolitik einer Partei. «Oder sie machen als Verband weiter.» So könnte sich eine frische Bewegung zu den bereits bestehenden pro-europäischen Organisationen gesellen.

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Die Europäische Union hatte ihren Ursprung im Jahr 1951, als die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl gegründet wurde.

Die Zukunft hänge im wesentlichen davon ab, «wie wir uns als Organisation verstetigen», sagt Röder, der inzwischen eine Geschäftsstelle gegründet hat. «Das hängt auch davon ab, wie wir Spendengeld akquirieren können.» Es gebe aber so viele Brandherde in Europa, die jeder für sich ihre Aufmerksamkeit verdienen» sagt er, und nennt Spanien als Beispiel.

«Wir haben schon viel erreicht», meint Röder. Die Aufmerksamkeit sei hergestellt und eine Rückkopplung mit der Politik gelungen. «Europa ist wieder mehr in den Focus geragten. Man weiß, auch dass viele Pro-Europäer aktivierbar sind.» Zudem könne nicht alles über eine zentrale Bewegung laufen. «Wir hoffen, dass wir viele Leute angezündet haben, viele kleine Aktionen auch für sich zu machen und im Freundes- und Bekanntenkreis zu diskutieren.»

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