Angela Merkel bringt es auf den Punkt, zeigt aber auch ihre Hilflosigkeit. «Wenn jeder macht, worauf er Lust hat, ist das eine schlechte Nachricht für die Welt», sagt die Kanzlerin. Das zielt auf US-Präsident Donald Trump, der einen Alleingang nach dem anderen startet - erst Strafzölle, nun neue Sanktionen gegen den Iran. Der Kollateralschaden für die westlichen Partner scheint ihn nicht sonderlich zu interessieren. Die Folgen des Abschieds vom Iran-Atomabkommen sind jedenfalls immens, es droht ein Dominoeffekt.

Warum können die US-Sanktionen auch europäische Unternehmen treffen?

«So wie wir die Sanktionen lesen, haben wir im US-Sanktionsrecht keinen Altbestandsschutz», sagt der Vize-Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier. Will heißen: Auch bestehende Geschäfte, zum Beispiel der Bau einer Maschinenfabrik, können nicht fortgeführt werden. Nach dem Erlass von Sanktionen bleibt eine Frist von maximal 180 Tagen, um die Geschäfte abzuwickeln. Sonst drohen den Unternehmen Strafen für ihre Geschäfte in den USA und/oder US-Firmen müssen ihre Aktivitäten mit dem Unternehmen beenden. Obwohl die Firmen im Einklang mit europäischem Recht Geschäfte machen, trifft sie also der lange Arm des über die Landesgrenzen hinaus geltenden US-Sanktionsrechts.

Kann die Bundesregierung etwas dagegen tun?

Nein. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, es gebe juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmen gegen die US-Maßnahmen zu schützen oder davon auszunehmen. «Das ist ein enormes Damoklesschwert», mahnt DIHK-Experte Treier. Der neue US-Botschafter Richard Grenell fordert schon, Investitionen im Iran zurückzufahren.

Wie groß sind die Iran-Geschäfte bisher?

Das Abkommen trat Anfang 2016 in Kraft. Im Gegenzug zum Verzicht auf das Streben nach einer Atombombe und Kontrolle der Uran-Anreicherung wurden die Iran-Sanktionen der USA und der EU weitgehend aufgehoben. Der Flugzeugbauer Airbus hatte Ende 2016 mit Iran Air einen Großauftrag über 98 Verkehrsflugzeuge abgeschlossen. Davon wurde eines bisher direkt ausgeliefert, sagte ein Sprecher. Im Orderbuch des Unternehmens verblieben also 97 Maschinen - Airbus prüft, ob das Geschäft nun gefährdet ist. Die deutschen Ausfuhren in das islamische Land stiegen dem Außenhandelsverband BGA zufolge von 2,9 Milliarden Euro (2016) auf 3,4 Milliarden Euro 2017. An der Spitze lagen Maschinen, chemische Erzeugnisse, Datenverarbeitungsgeräte, Kraftwagen und Kraftwagenteile. Aber insgesamt ist das Niveau bisher überschaubar geblieben - auch weil es für Firmen einen Haken gibt.

Was ist die größte Hürde?

Die Finanzierung und Absicherung der Geschäfte. Das Ganze sei viel langsamer als gedacht angelaufen, weil zunächst weiter ein Teil von US-Sanktionen in Kraft war - den Finanzsektor betreffend. «Das hat die Finanzierung enorm erschwert», erklärt Friedolin Strack, Abteilungsleiter Internationale Märkte im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Spezielle Nachweispflichten, das Risiko bei einer Finanzierung wiederum mit US-Sanktionen zu belegt werden, ließen die Banken auf die Bremse treten. Das dürfte nun erst recht so bleiben.

Warum spielen Banken eine Schlüsselrolle bei Iran-Geschäften?

Ohne die Begleitung internationaler Banken sind Großinvestitionen wie ein Projekt des Chemiekonzerns BASF oder der Verkauf von Airbus-Jets nicht durchführbar. Hier setzt der Hebel der US-Sanktionen an: Keine Großbank kann es sich leisten, vom US-Markt ausgeschlossen zu werden. Beim vorhergehenden Iran-Boykott haben die Commerzbank und die französische BNP Paribas am eigenen Leib die Wirksamkeit der Strafen erfahren müssen und Milliardenbußen an US-Behörden gezahlt.

Also viel Wirbel um fast nichts?

Das kann man so sehen. Es gab erst große Pläne, Spitzenpolitiker aus Europa reisten in das Land. Beispiel Volkswagen: Mehr als 17 Jahre war der Autobauer nicht im Iran aktiv. Nun sollte eine Partnerschaft mit dem örtlichen Importeur Mammut Khodro die Marke zurückbringen. Auf dem Papier war alles geregelt, in der Praxis ging wenig voran. Allerdings wird ein Aspekt ohnehin in Sachen Iran gern verschwiege: Es handelt sich um eine Diktatur - und die ethische Komponente dieser Geschäfte verblasst derzeit hinter der Kritik an Trump, der dem Iran nicht traut und ihn daher bestrafen will. Aber klar ist auch: Bei einem Regimewechsel hätten vor allem US-Firmen den Fuß in der Tür.

Gibt es bereits ähnliche Fälle?

Ja, die im April verhängten US-Sanktionen gegen russische Oligarchen mit Verbindungen zum Kreml, wie Oleg Deripaska. Nach Einschätzung der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) droht allein durch ausfallende Neugeschäfte kurzfristig ein Schaden von mehreren Hundert Millionen Euro. Auf der US-Liste stehen nun Firmen, mit denen die deutsche Wirtschaft eng zusammenarbeitet: der Autobauer Gaz, der Energiekonzern Gazprom, der Aluminiumhersteller Rusal oder der Mischkonzern Renova. Wegen der US-Alleingänge hofft die deutsche Wirtschaft auf eine neue Annäherung an Russland, Minister Altmaier und Kanzlerin Merkel reisen in der nächsten Woche dorthin.

Droht ein Dominoeffekt?

Es fing an mit Strafzöllen auf Waschmaschinen und Solarmodule aus China, dann auf Stahl und Aluminium, dann neue Sanktionen gegen Russland, jetzt die Wiedereinführung der Iran-Sanktionen. Unternehmen sind verunsichert - wer weltweit agiert, braucht verlässliche Regeln. Trumps Strafmaßnahmen kommen zur Unzeit. Der DIHK rechnet mit einem Plus bei der Weltwirtschaftsleistung von vier Prozent in diesem Jahr - deutsche Unternehmen beschäftigen 7,4 Millionen Menschen im Ausland, 200 000 zusätzliche Jobs sollen 2018 entstehen, davon allein 40 000 in den USA. Denn während Trump den Handel mit Ländern wie Iran, China und Russland über das US-Sanktionsrecht und Strafzölle torpediert, kann er dank seiner Unternehmenssteuerreform daheim auf einen satten Aufschwung setzen. Dann könnte er sich als «Dealmaker» feiern lassen.

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Organigramm: Akteure im Konflikt nach Ausstieg der USA aus Atomabkommen (Iran, Israel, Syrien, USA)

Von Georg Ismar und Farshid Motahari

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