Brüssel/London - Jean-Claude Juncker fand warme Worte für die britische Regierungschefin. «Es war eine Freude, Premierministerin May zu treffen», sagte der EU-Kommissionspräsident am Montagnachmittag nach einem mehr als dreistündigen Mittagessen mit der Britin in Brüssel. «Unsere persönliche Beziehung ist exzellent.» Juncker lobte May auch noch respektvoll als harte Verhandlerin, als echte Kämpferin für die Interessen Großbritanniens. Dann aber kam er zum bitteren Kern der Sache: Ein Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen sei leider noch nicht möglich gewesen, sagte der Kommissionschef. May war sich da ausnahmsweise mit ihm völlig einig. Nun gehen die Bemühungen um eine erste Einigung in diesem extrem schwierigen Unterfangen also abermals in die Verlängerung. Bis 15. Dezember soll doch noch ein Kompromiss stehen. Er sei da zuversichtlich, sagte Juncker.

Worum geht es? Großbritannien will 2019 aus der Europäischen Union, dem Binnenmarkt und der Zollunion ausscheiden, um mehr Spielraum in der Migrations-, Handels- und Finanzpolitik zu bekommen. Premierministerin May strebt aber auch künftig eine «besondere Partnerschaft» mit der EU an, vor allem sehr enge Handelsbeziehungen. Darüber will sie so schnell wie möglich verhandeln. Aber vorher verlangt die EU Zusagen in drei Punkten: London soll für gemeinsam eingegangene Verpflichtungen auch nach dem Brexit Milliarden nach Brüssel überweisen; EU-Bürger in Großbritannien sollen weiter ohne Einschränkungen dort leben dürfen. Und das EU-Mitglied Irland soll nicht durch eine Grenze vom britischen Nordirland getrennt werden.

Was ist am Montag passiert? Juncker informierte zunächst einmal wichtige Abgeordnete des Europaparlaments über den jüngsten Verhandlungsstand - und danach hörten sich die Parlamentarier sehr zuversichtlich an. Er habe ein gutes Gefühl, sagte zum Beispiel der CDU-Abgeordnete und Brexit-Beauftragte Elmar Brok. Dann traf Juncker die britische Regierungschefin zu dem «Arbeitsessen», bei dem eigentlich nur noch einige wenige offene Punkte in einem vorformulierten Verhandlungsdokument geschlossen werden sollten. Aber das sogenannte Essen zog und zog sich. Und als Juncker und May kurz vor 17.00 Uhr vor die Journalisten traten, kamen sie mit leeren Händen: Keine Einigung.

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Woran lag es? EU-Diplomaten hatten schon vor Tagen deutlich gemacht, dass es bei zwei von drei Knackpunkten gut aussah. Für die sogenannte Schlussrechnung hatte London nach EU-Angaben ein Angebot für langfristige Zahlungen zum Beispiel für Beamtenpensionen und andere Haushaltsposten vorgelegt. Schätzungen gehen von bis zu 55 Milliarden Euro aus. Das wäre für die EU wohl akzeptabel. Auch bei den von der EU gewünschten rechtlichen Garantien für EU-Bürger in Großbritannien war man einer Einigung dem Vernehmen nach nahe. Als besonders schwierig galt indes bis zuletzt die Irland-Frage. Und am Ende wird alles zusammen nur als Paket vereinbart oder gar nicht.

Wo liegt das Problem? Die Republik Irland bleibt EU-Mitglied, während Nordirland mit Großbritannien die Gemeinschaft verlässt. Zwischen beiden verläuft also künftig eine EU-Außengrenze. Wenn auf beiden Seiten unterschiedliche Zölle, Regeln und Vorgaben gelten, müssen Waren und Personen an der Grenze eigentlich kontrolliert werden. Das gilt aber als politisch heikel. Denn erst das Zusammenwachsen der Insel in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum hat die früher so ausgeprägten Konflikte zwischen irischen Nationalisten und probritischen Unionisten gelindert. Die irische Regierung will deshalb, dass sich vor Ort im Alltag nichts ändert.

Wie soll das funktionieren? Das ist auch Experten nicht klar - eine wirkliche Lösung wird sich wohl bestenfalls finden, wenn die langfristigen Handelsbeziehungen geklärt sind. Als Zwischenlösung fand man jetzt aber eine Kompromissformel: das «alignment». Das bedeutet auf Deutsch in etwa «Abgleich» oder «Angleichung». Gemeint ist, dass sich Regeln und Vorschriften im Norden und Süden der irischen Insel auf Dauer nicht wesentlich unterscheiden sollen. Faktisch müssten also die Regeln des EU-Binnenmarkts in Nordirland weiter gelten beziehungsweise gleichlautende nationale Regeln.

Können damit alle leben? Offensichtlich nicht. Noch während May mit Juncker zusammensaß, meldete sich die nordirische Partei DUP zu Wort und nannte jede Art von Sonderregel für Nordirland inakzeptabel. Man wolle zu denselben Konditionen aus der EU raus wie das übrige Vereinigte Königreich. Daraus zogen Schotten und Waliser gleich den Umkehrschluss: Wenn Nordirland die Vorteile des Binnenmarkts weiter genießen dürfe, dann wolle man das auch, erklärten Regierungsvertreter auf Twitter.

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