Brüssel - Artikel 13. Bis vor Kurzem wussten damit nur Internet-Nerds und Digital-Experten etwas anzufangen. Spätestens seit Mitte Februar hat sich das geändert. Seitdem formiert sich vor allem in Deutschland ein Protest, den es in dieser Art wohl noch nicht gab. Er richtet sich gegen die geplante Reform des EU-Urheberrechts im Allgemeinen - und gegen Artikel 13 im Besonderen.

Getragen wird der Protest vor allem von jungen Internetnutzern. Wer Kinder hat, dürfte von Upload-Filtern, dem vermeintlichen Ende des freien Internets und Artikel 13 allerdings auch schon gehört haben.

Dabei sollte eigentlich alles besser werden. Als die EU-Kommission 2016 neue Regeln vorschlug, wollte sie das Urheberrecht ans digitale Zeitalter anpassen, Urheber und Rechteinhaber sollten für ihre Arbeit fairer bezahlt werden. Darauf können sich auch heute noch alle einigen. Strittig ist nur der Weg. Hier kommt Artikel 13 ins Spiel.

Plattformen stärker in der Pflicht

Mitte Februar einigten sich Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments auf einen Kompromiss der Reform. Dieser sieht in Artikel 13 vor, Plattformen wie YouTube beim Urheberrecht stärker in die Pflicht zu nehmen. Bislang müssen sie geschützte Werke von ihrer Seite löschen, sobald sie eine Beschwerde erhalten. Die neuen Regeln sehen vor, dass die Betreiber schon beim Hochladen sicherstellen müssen, dass urheberrechtlich geschützte Werke nicht unerlaubt auf ihrer Seite landen.

Dies können sie nach Ansicht von Kritikern nur durch Filter erreichen, die jedes Werk mit einer Datenbank abgleichen. Gegner der Reform befürchten Zensur. Der Chaos Computer Club (CCC) etwa sieht das «freie bunte Internet» in Gefahr. Die Filter seien fehleranfällig, sie könnten nicht zwischen erlaubter Satire, Parodie oder Zitat und tatsächlichen Urheberrechtsverstößen unterscheiden, warnen Kritiker. Letztlich sei die Meinungsfreiheit bedroht.

Der Widerstand ist enorm. YouTuber LeFloid fordert von seinen mehr als drei Millionen Followern: «Stoppt Artikel 13!» Europaabgeordnete erhalten so viele Protest-E-Mails wie nie. Knapp fünf Millionen Gegner haben eine Online-Petition unterzeichnet.

Doch der Protest soll auch auf die Straße getragen werden. In Köln wurde bereits demonstriert, an diesem Samstag veranstaltet das Bündnis «Berlin gegen 13», hinter dem unter anderem der CCC und der Verein Digitale Gesellschaft stehen, eine Demo in der Hauptstadt. Die Organisatoren sehen die Veranstaltung vor allem als Warm-Up für die europaweiten Proteste am 23. März.

Deutsche Regierung uneins

Julia Reda von den Piraten führt den Widerstand im EU-Parlament an. «Getragen wird der Protest von der Generation, die diese Plattformen aktiv nutzt und im Internet nicht nur konsumiert», sagt sie. Und die SPD-Europaabgeordnete Martina Werner sagt: «Die jungen Leute, die mit YouTube groß geworden sind, die sind auf hundert. Und die, die nicht mit YouTube groß geworden sind, kriegen das gar nicht mit.»

In Deutschland ist der Konflikt aber auch in der Bundespolitik angekommen - und hat zum Unstimmigkeiten innerhalb der Regierung geführt. Justizministerin Katarina Barley ist eigentlich gegen Artikel 13, ebenso Digital-Staatssekretärin Dorothee Bär. Durchsetzen konnten sie sich nicht, Deutschland stimmte dem Kompromiss kürzlich zu. Dabei lehnt auch der Koalitionsvertrag den verpflichtenden Einsatz von Upload-Filtern als «unverhältnismäßig» ab.

Auch Juso-Chef Kevin Kühnert ist gegen die Reform in ihrer jetzigen Form, ebenso Netzpolitiker der Union. CDU-Politiker Axel Voss, der den Kompromiss mit den EU-Staaten ausgehandelt hat, erwehrt sich aller Kritik. Er sagt, die Reform schaffe «erstmals Rechtssicherheit für private User, die Musik oder Videos ins Internet stellen». Die Plattformen müssten dafür sorgen, dass sie Lizenzen für Inhalte auf ihren Seiten haben. Mit Filtern habe das nichts zu tun.

Verbände begrüßen den ausgehandelten Kompromiss

Etliche Verbände, die nach eigenen Angaben hunderttausend Künstler, Kreative und Journalisten sowie Tausende Unternehmen in Deutschland vertreten, springen ihm zur Seite. Sie sagen: «Die Richtlinie verbessert die Bedingungen für Kreativ- und Medienschaffende und die Kulturwirtschaft in ganz Europa erheblich.» Unter anderem die Gema, der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Musikverleger-Verband fordern ein «Ja zur EU-Urheberrechtsrichtlinie».

Mittlerweile wird mit dem Urheberrecht auch Wahlkampf gemacht - schließlich wird Ende Mai ein neues Europaparlament gewählt. Die Kampagne «Pledge» (Deutsch: Versprechen) kündigt an: «Wir werden nur Politiker*innen wählen, die gegen Artikel 13 stimmen.» Am Donnerstag hatten bereits 66 Abgeordnete ihr Versprechen abgegeben - von ihnen kamen 31 aus Deutschland.

Last-Minute-Wende?

Die Kampagne zielt auf eine Abstimmung im Europaparlament Ende März ab, in die die Gegner der Reform all ihre Hoffnung setzen. Denn die Parlamentarier müssen dem Kompromiss noch zustimmen - können die Reform also noch stoppen. «Das ist eine große Chance für das Europaparlament zu zeigen, dass es die Vertretung der Bürgerinnen und Bürger ist und auf deren Sorgen hört», sagt Reda. Sie hat ihre Zusage natürlich längst auf «Pledge» gemacht.

Neumann vom CCC hält die Chancen für eine Last-Minute-Wende allerdings für gering: «Wenn eine äußerst dumme Idee entgegen aller Expertise, entgegen aller Beratung, entgegen aller Kompetenz so weit gekommen ist - dann ist es nur noch eine Frage des Glücks, wenn hier noch einmal technischer Sachverstand und demokratisches Augenmaß Einzug erhalten.»

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