Talinn - Nach jahrelangen Krisen und Debatten kommt Bewegung in die Europäische Union. Bis Mitte Oktober soll ein konkreter Fahrplan für Reformschritte vorliegen, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag in Tallinn ankündigte. Dort hatte sich auch Kanzlerin Angela Merkel für eine Erneuerung der EU ausgesprochen und die Initiative des französischen Präsidenten Emmanuel Macron gelobt. Wie weit politische Reformen gehen sollen, ist aber offen. Der EU-Gipfel beriet zunächst einmal, wie Europa fit für die digitale Zukunft wird.

Macron hatte in einer viel beachteten Rede diese Woche eine schnellere, effizientere und stärkere EU gefordert. Merkel traf sich am Donnerstagabend mit dem französischen Präsidenten und beriet dann mehr als zwei Stunden bei einem informellen Abendessen mit fast allen EU-Staats- und Regierungschefs die Zukunft der Gemeinschaft. In einem Statement und über Twitter nahm sie zu Macrons Vorstoß Stellung.

Es gebe ein «Höchstmaß an Übereinstimmung zwischen Deutschland und Frankreich», versicherte die Kanzlerin. Sie nannte Macrons Rede eine gute Grundlage und lobte ausdrücklich seine Vorschläge zur Verteidigungs- und Migrationspolitik sowie zur Harmonisierung der Unternehmenssteuer und des Insolvenzrechts. Diese Punkte würden auch in die Beratungen zur Bildung einer neuen Bundesregierung einfließen.

Geteiltes Echo auf Macrons Forderungen

Das politisch heikelste Thema in Deutschland sind jedoch Macrons Pläne für die Eurozone. Er plädiert für einen großen eigenen Haushalt und einen Finanzminister sowie die Angleichung der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Vor allem CSU und FDP befürchten, dass Macrons Pläne für Deutschland teuer werden, wie der bayerische Innenminister Joachim Herrmann und FDP-Vize Wolfgang Kubicki am Donnerstagabend im ZDF bekräftigten. Die Grünen drängen die potenziellen Partner in einer Jamaika-Koalition dagegen, Macron entgegenzukommen.

Macron selbst sieht sich durch die Reaktionen im Kreis der EU-Länder ermutigt. «Ich glaube, heute sind wir alle überzeugt, dass Europa schneller, kräftiger voranschreiten muss, für mehr Souveränität, mehr Einheit und mehr Demokratie», sagte er am Freitag. «Es gibt auf jeden Fall einen gemeinsamen Konsens, dass wir vorangehen wollen.» Er verwies auf den Fahrplan, den Tusk binnen zwei Wochen vorlegen will.

Merkel äußerte sich am Freitagmorgen nicht. Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern sagte, Merkel werde ihrem europapolitischen Kurs treu bleiben. Doch wisse auch sie, dass jetzt entschlossenere Schritte notwendig seien. Die EU sei in den letzten Jahren zu langsam vorangekommen.

Digitale Themen im Zentrum des Gipfels

Das eigentliche Thema des Gipfeltreffens in der estnischen Hauptstadt stand im Schatten der Reformdebatte: Die Regierung des kleinen Baltenstaats, der derzeit den EU-Vorsitz führt, wollte vor allem die Chancen des Internets in den Mittelpunkt rücken. Themen am Freitag waren unter anderem der Ausbau des schnellen Internets, die Digitalisierung von Behörden und der Schutz vor Cyberangriffen.

Ein konkreter Streitpunkt ist der Vorstoß Deutschlands und anderer Länder für eine stärkere Besteuerung globaler Internetkonzernen auf Geschäfte in Europa. Österreichs Kanzler Kern setzte sich dafür ein, der irische Regierungschef Leo Varadkar hielt vehement dagegen.

Die britische Premierministerin Theresa May kam nach Tallinn und warb für eine enge Sicherheitspartnerschaft - auch im Kampf gegen Cyberkriminelle - nach dem für 2019 geplanten EU-Austritt ihres Landes. Der Brexit selbst war nur am Rande Thema. Allerdings äußerte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker überraschend offen seine Skepsis, dass es bei den Verhandlungen bald einen Durchbruch gibt: «Bis Ende Oktober werden wir keinen ausreichenden Fortschritt haben», sagte Juncker. Nur ein Wunder könnte dies noch bewirken.

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